21. Januar 2002
Tibetan Centre for Human Rights and Democracy (TCHRD)
Top Floor, Narthang Building, Gangchen Kyishong, Dharamsala 176215, H.P.
phone +91/1892/23363, fax: +91/1892/25874
e-mail: dsala@tchrd.org, website: www.tchrd.org

Das TCHRD begrüßt Ngawang Choephels Freilassung

Presseerklärung

Das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie begrüßt die Freilassung des 36-jährigen tibetischen Musikers Ngawang Choephel aus medizinischen Gründen. Ngawang Choephel verbüßte sechseinhalb Jahre seiner Gesamtstrafe von 18 Jahren in chinesisch verwalteten Gefängnissen in Tibet. Er war verurteilt worden, weil er in dem chinesisch besetzten Tibet Filmaufnahmen traditioneller tibetischer Volkskunst gemacht hatte. Er landete am 20. Januar 2002 in Washington.

"Diese Geste der Pekinger Regierung sollte jedoch nicht dahingehend ausgelegt werden, daß China die Menschenrechte in Tibet nun respektiere. Wir sehen in ihr einen im Hinblick auf den Staatsbesuch von US Präsident Bush in China in einem Monat zeitlich geschickt abgestimmten Schritt, sowie eine Vorkehrung zur Abwendung internationaler Kritik an der Menschenrechtslage in Tibet bei der bevorstehenden 58. Sitzung der UN Menschenrechtskommission, die im März in Genf beginnen wird", kommentierte Norzin Dolma, Mitarbeiterin des TCHRD.

Ngawang Choephel studierte 1993 und 1994 als Fulbright Stipendiat Volksmusik am Middlebury College in Vermont, USA. Im Juli 1995 nahm die chinesische Polizei ihn auf dem Markt von Shigatse fest. Er befand sich gerade auf einer Forschungsreise in Tibet und war dabei, einen Dokumentarfilm über traditionelle darstellende Künste, wie tibetische Volkslieder und Volkstänze zu drehen. Vor seiner Festnahme gelang es ihm gerade noch, seine Vidoecassetten einer Reisebegleiterin aus dem Westen mitzugeben. Die 16-stündigen Videoaufnahmen enthalten keine einzige Szene, die den Verdacht politischer Tätigkeit erregen könnte.

Die chinesische Regierung gab seine Gefangensetzung erst am 15. Oktober 1996, ein Jahr nach seinem Verschwinden, zu. Er wurde in der Folge unter Anklage der Spionage für die tibetische Regierung-im-Exil zu 18 Jahren Haft verurteilt. Anfänglich in dem Nyari Haftzentrum in Shigatse inhaftiert, wurde er am 27. Juni 1998 in das Drapchi Gefängnis und im Juli 1998 von dort in das Hochsicherheitsgefängnis Powo Tramo in Kreis Pome, Präfektur Nyingtri, 500 km östlich von Lhasa, verlegt. In der Gefangenschaft wurde Ngawang Choephel von den Gefängniswärtern brutal mißhandelt und gefoltert, was seiner schon gebrechlichen Gesundheit sehr zusetzte.

Der berühmt gewordene Besuch seiner Mutter und seines Onkels im August 2000 und die unerwartete Freilassung sind das Ergebnis einer intensiven Kampagnenarbeit verschiedener Menschenrechtsorganisationen, Gruppen zur Befürwortung der tibetischen Sache, Parlamentarier, Tibet-Aktivisten, Tibet-Unterstützern und mehrerer Regierungen. Insbesondere die Einmann-Kampagne, die seine Mutter Sonam Dekyi über die Jahre für die Entlassung ihres Sohnes führte, spielte eine entscheidende Rolle.

In dem General Hospital von Chengdu, wo Choephel vermutlich medizinische Behandlung erfuhr, teilte der Arzt mit, Choephel leide an vier verschiedenen Krankheiten. Wegen einer Harnwegsinfektion sei Choephel bereits behandelt worden, als nächstes würden nun seine Leber-, Lungen und Magenleiden in Angriff genommen werden. Während seiner Zeit im Gefängnis, als er unter schweren Erkrankungen litt, wurde ihm die angemessene Behandlung verweigert. Obwohl er erst in den Dreißigern ist, wurde ihm von seinen Mitgefangenen wegen seiner Gebrechlichkeit der Spitzname gyakar pola (indischer Großvater) angehängt.

Das TCHRD dankt allen Sympathisanten, seien es nun Einzelpersonen oder Organisationen, für ihre aktive Unterstützung und Kampagne zur Freilassung Ngawang Choephels.

Außerdem ruft das TCHRD China auf, alle politischen Gefangenen in Tibet freizulassen. Es gibt derzeit, soweit uns bekannt, 253 politische Häftlinge in zahlreichen Gefängnissen und Haftanstalten in ganz Tibet, die wegen ihrer als "Gefährdung der Staatssicherheit" eingestuften Handlungen gefangengesetzt wurden. Einige prominente politische Gefangene sind:

  • Chadrel Rinpoche, der Abt von Kloster Tashi Lhunpo und Leiter der Suchkommission zur Auffindung des Nachfolgers des 10. Panchen Lama, der nach Ablauf seiner 6-jährigen Haftstrafe im Mai 2001 nicht wie erwartet zurückkehrte.

  • Geshe Sonam Phuntsok, ein renommierter Praktizierender und Lehrer des Buddhismus, der gegenwärtig eine Strafe von 5 Jahren verbüßt, weil er eine Gebetszeremonie für den Dalai Lama abhielt. Seine Entlassung steht für den 24. Oktober 2004 an.

  • Phuntsok Wangdu, ein Mönch, der wegen Anstiftung zu politischen Aktivitäten mit 14 Jahren Gefängnis bestraft wurde und bis zum 2. Februar 2011 in Haft sein wird.

  • Tanak Jigme Sangpo, der von dem TCHRD für den Martin Ennals Menschenrechtspreis 2001 nominiert wurde, leistet gegenwärtig wegen "konterrevolutionärer Aktivitäten" eine Gesamthaftstrafe von 28 Jahren ab. Seine Entlassung steht für den 3. September 2011 an, zu welchem Zeitpunkt er 85 Jahre alt sein wird.

  • Ngawang Sangdrol, eine Nonne, die wegen "separatistischer" Aktivitäten eine Gesamtstrafe von 21 Jahre ableistet, soll im Juni 2013 entlassen werden.

  • Phuntsog Nyidron, eine Nonne, welche 1989 eine Demonstration in Lhasa anführte, Empfängerin des Reebok Menschenrechtspreises von 1995, verbüßt derzeit eine Gesamthaftstrafe von 17 Jahren und soll im Oktober 2006 entlassen werden.

Wie die Dui Hua Stiftung mit Sitz in San Francisco mitteilt, wurde Ngawang Choephel aufgrund einer uns bisher nicht bekannten chinesischen gesetzlichen Vorkehrung entlassen, die Gefangenen, die mindestens ein Drittel ihrer Haftstrafe abgeleistet und sich ein Leiden im Gefängnis zugezogen haben, Entlassung aus medizinischen Gründen zugesteht. Dieser Sachverhalt könnte bei vielen tibetischen Gefangenen zutreffen. Im Dezember 2001 erfuhr das TCHRD, daß Geshe Sonam Phuntsok sich infolge der gräßlichen Haftbedingungen in kritischem gesundheitlichem Zustand befindet. Da er über ein Drittel seiner Strafe verbüßt hat, appelliert das TCHRD an die chinesische Regierung, Geshe Sonam Phuntsok im Sinne dieser gesetzlichen Verfügung ebenfalls unverzüglich freizulassen.

nach oben